Texte Usbekistan | August 2010
… und wer fragt bleibt dumm
Ganz unseren russischen Vorstellungen entsprechend fertigt die Grenzbeamtin unsere Papiere zur Einreise ab. Sie verfügt über einen strengen Blick, einen strengen Zopf, eine strenge Haltung und doch sieht sie in ihrer Militäruniform gar nicht mal übel aus. In den vergangenen 2 Stunden haben wir Fahrzeugdesinfektion, Fahrzeuginspektion, Zollerklärung, Fieber messen und mehrere Gesichts- und Passkontrollen hinter uns gebracht. Jetzt dürfen wir Usbekistan betreten.
Moment mal – da war doch noch was !? Ach ja „Wo können wir denn eine Autoversicherung abschließen ?“ Sie versteht unsere Frage nicht und wir müssen erstmal im Russisch-Wörterbuch das Wort „Versicherung“ nachschlagen.
„Strachowka – äh maschina – awtomobil ?“ Sie versteht unsere Frage immer noch nicht und wir benutzen Zeichensprache : Brumm, brumm mit Lenkradbewegungen und anschließendem „Klatsch“ in die Hände. Langsam dämmert ihr was wir wollen und sie lächelt nach dieser Vorführung ein wenig. Mit einer wegwischenden Geste will sie uns wohl sagen „Braucht ihr nicht, gibt es nicht oder interessiert mich nicht“. Und das erste Mal, noch bevor wir das Land betreten stellt sich uns die Frage „Wieso – wieso brauchen wir denn hier keine Versicherung ?“
Nicht einmal einen Tag später stehen wir bereits wieder vor einer kaum lösbaren Frage : „Weshalb – weshalb gibt es denn keinen Sprit in Usbekistan ?“
Von über 20 Befragten haben immerhin Zwei eine Antwort gewusst; alle anderen konnten nur schicksalsergeben mit den Schultern zucken. „Das kommt öfter vor“ und „Die Raffinerie ist kaputt“ waren die brauchbarsten Auskünfte.
Auf unserer Überlandfahrt sind wir bereits bei mehr als ein Dutzend Tankstellen vorübergefahren, deren Stahlgatter fest verschlossen waren. In dieser wüstenartigen Umgebung wirkt das wie ein endgültiges „Aus“ – für die Zapfsäulen sowieso und für uns dann bald.
Wir sehen auf der linken Seite eine Station, die ihre Tore noch offen hat und es keimt Hoffnung in uns auf. Als wir in den Hof einfahren, läuft der Tankwart gleich schnellen Schrittes aus seinem Kassenhäuschen und winkt mit den Worten „Njet“ und „Yok“ ab.
„Warum ist der dann überhaupt noch da, wenn er kein Benzin hat ?“
Wir halten mal an.
Ich frage :“Benzin ?“
Er schüttelt den Kopf und kreuzt zudem noch die Arme – das ist eindeutig !
Allmählich wird es bei uns knapp mit dem Treibstoff. Wir überlegen bei einer Cola und einer Zigarette was man tun kann. Nach etwa 10 Minuten kommt aus einer Garage im Hinterhof ein weiterer Tankwart und grummelt : „Benzin ?“
„Da – Benzin !“
„Skolka ?“
„Mmh – Otuz Litr“ ist zwar türkisch aber er nickt und erscheint weitere 10 Minuten später mit einer Gieskanne aus Blech und zwei 5l-Plastikflaschen – insgesamt gefüllt mit 30 Liter Benzin. Das kostet uns zwar gut ein Drittel mehr als der staatlich verordnete Preis, aber wir nehmen es dankbar an und können uns jetzt besser in die „Mad Max“-Filme der 70er Jahre hineinversetzen.
Auch das Bezahlen ist in Usbekistan eine gewöhnungsbedürftige Sache. Die höchste Banknote des Landes ist der 1000 Sum-Schein und entspricht etwa einem Wert von 0,35 €. Da stellt sich natürlich schon die Frage : „Warum haben die denn keine größeren Geldscheine ?“
Hier könnte man eine Anfrage an die Deutsche Bundesdruckerei stellen, die die usbekischen Noten druckt und damit bestimmt ihr bestes Geschäft macht. Es ist sogar eher erstaunlich, dass bei einer solch hohen Auslastung noch Kapazität zum Drucken von Euros bleibt.
Aus diesem Umstand heraus haben sich die Usbeken zu wahren Geldzählmaschinen entwickelt. Ein Bündel Scheine wird zwischen die Finger der einen Hand geklemmt, so dass die obere Hälfte des Geldes etwas Vorspannung bekommt. Die andere Hand blättert nun ähnlich wie beim Fingerschnippen die Noten runter. Acht bis zehn Scheine pro Sekunde sind da keine Seltenheit und Kinder ab dem 5. Lebensjahr beherrschen diese Technik selbstverständlich.
Auch ich habe irgendwann versucht mein Geld auf diese mafiöse Art zu zählen, bin aber auch nach längerem Üben auf nicht mehr als 3 Scheine pro Sekunde gekommen. So war ich auf Bazaren oft den gelangweilten Blicken usbekischer Händler ausgeliefert, die mir wohl sagen wollten „Warum geht das denn so langsam ?“.
Bericht von Udo Thiele