Texte Indien 2 | McLeodGanj, Oktober 2011
Nicole:
Und jetzt, nachdem du Mönch geworden bist, wissen deine Familie und deine Freunde zu Hause oder sonst wo in der Welt, wissen sie davon?
Rinchen:
Ja … es hat eine Weile gedauert bevor ich es meiner Familie erzählte.
Ich wartete etwa drei Wochen, bis ich genug Mut hatte um es ihnen zu sagen.
Und dann erzählte ich es ihnen, und sie fanden es alle gut und unterstützten es. Ausser einem Bruder, ich habe noch nichts von ihm gehört und ein paar mal versucht, ihn zu erreichen … ich habe bis jetzt noch nichts gehört. Also … aber die anderen drei Geschwister waren alle positiv und meine Freunde waren alle positiv.
Nicole:
Denkst du, dass sie dein Leben und deinen Weg auf dem du jetzt bist verstehen? Ist es für sie verständlich oder akzeptieren sie es einfach?
Rinchen:
Nun, sie wissen, dass ich viele Jahre lang Buddhist und Christ war …fünfzehn Jahre. Aber seit ich ein ordinierter Geistlicher war … beziehungsweise ich bin immer noch ordinierter Referend … dachten sie ‚das war’s, versteht ihr, sie meinten ‚das reicht’. Ich ging dafür drei Jahre lang zur Schule, ins Priesterseminar, um ordiniert zu werden. Das war die grosse Sorge für mich. Und in diesem Sinn ist es ein bisschen erschreckend. Aber sie haben mich ziemlich unterstützt.
Roland:
Was war die erste Reaktion deiner Geschwister, die erste Reaktion als du es ihnen gesagt oder geschrieben hast?
Rinchen:
Ich habe ihnen ein e-mail geschrieben. Ja, es war ein e-mail. Und meine Schwester war die Erste, sie sagte ‚Oh, das ist grossartig, ich bin stolz auf dich, ich freue mich für dich’ und sie unterstützte mich anfangs am meisten. Und dann meine Brüder, einer meiner Brüder, er schien O.K. damit. Und ich schickte ihnen ein Bild. Ich sagte, ihr wisst, weil ich meine Robe anhatte und meine Haare waren rasiert, ich sagte, ich hoffe es bringt euch nicht aus der Fassung, so sehe ich jetzt aus. Sie mochten es, ‚Du siehst gut aus, deine schönen Roben, du siehst gossartig aus’.
Nicole:
Hast du enge Freunde, die deinen Weg teilen, also enge Freunde von früher, Freunde mit denen du dich in deiner Art zu leben verständigen kannst?
Rinchen:
Du meinst buddhistische?
Nicole:
Ja.
Rinchen:
Ich habe einige enge, ich nenne sie meine Dharma-Mütter. Ich habe zwei
Dharma-Mütter in der Gegend der Bucht von San Francisco. Und sie sind sehr unterstützend und, versteht ihr, sie haben mich aufgenommen als ich das letzte mal in San Francisco war … und sie sind sehr fürsorglich für mich. Also habe ich diese beiden und ich habe einige andere Dharma-Freunde. Und die ‚normalen’ Freunde, die meinen Weg ebenso unterstützen.
Nicole:
Seit zwei Monten bist du Mönch.
Erfüllt dein Mönchsein deine Hoffnungen bislang? Und ist es jetzt so wie du gedacht oder es dir vorgestellt hast?
Rinchen:
Ja, bislang war es wunderbar. Ich freue mich darüber und es ist grossartig. Das einzige was ich vermisse ist, keine Mönchsgemeinschaft zu haben wie andere es haben, weil ich in ein Kloster gehen müsste, um diese Erfahrung zu machen.
Aber ja, Mönch zu sein, Meditationsleiter zu sein, das ist wirklich grossartig für mich.
Meinen Freunden und meiner Familie, denen habe ich Bilder geschickt und sie sagten ‚Du siehst so glücklich aus’ und ich sagte ‚Ja, ich bin so zufrieden’ – aber es ist lustig, sie können es in den Bildern sehen.
Nicole:
Du hast uns erzählt, dass du Zeiten hattest in denen du wirklich sehr deprimiert warst. Hat sich Meditation bei dir auf diese Art von Gefühlen positiv ausgewirkt?
Rinchen:
Ja, Meditation hat eine Wirkung auf deine Stimmung, kann deine Stimmung heben. Ja es ist eine wundervolle Sache. Manche der Meditationen sind traurig, so wie es die zur Vergebung sein kann. Es ist erhebend, aber es kann ebenso traurig sein.
Nicole:
Der eigene Tod?
Rinchen:
Ja, die Vorstellung unseres eigenen Todes ist eine von ihnen. Aber es hat ein erhebendes Ende. Du erreichst Zugang zu tiefer Erkenntnis über dich selbst.
Aber im allgemeinen hilft Meditation deinen Verstand zu klären und deinen Geist zu erfrischen.
So ist es wirklich eine gute Sache.
Nicole:
Würdest du psychologischen Kliniken empfehlen, Meditation als ein Heilverfahren einzuführen?
Rinchen:
Ich denke ja. Ich meine, einfach nur die Meditation zur Aufmerksamkeit täglich durchzuführen kann schon helfen, deinen Tag aufrecht zu beginnen. Und die positive Haltung, versteht ihr, eine wundervolle Haltung für den ganzen Tag zu haben. Ich denke, Aufmerksamkeit ist eine grossartige Sache, um den Tag zu beginnen.
Nicole:
Was ist deine grösste Hoffnung für deine eigene Zukunft?
Rinchen:
Meine grösste Hoffnung? Meinst du in der Wirklichkeit oder was geschehen wird oder geschehen könnte?
Nicole:
Was immer dein Wunsch sein mag.
Rinchen:
Das ist eine schwierige Frage. Nun, ich wünsche mir das ich das Masterprogramm in fünf anstelle von sieben Jahren schaffe. Wahrscheinlich wird mich das Masterprogramm sieben Jahre beanspruchen. Danach Lehrer zu werden innerhalb der FPMT, der Organisation der ich angehöre und dann in Dharmazentren lehren.
Nicole:
Bedauerst du in irgendeinem Punkt deinen Weg gewählt zu haben?
Rinchen:
Ich bedauere nichts, ja. Aber ich bin ein bisschen wie in einer Art Flitterwochen, wie man so sagt. So ist es wirklich wunderbar im Augenblick. Ich weiss nicht ob es später härter wird.
Ich bin in den Flitterwochen, also ist alles wunderbar.
Nicole:
Was würdest du tun wenn du eine Million Dollar hättest?
Rinchen:
Eine Million Dollar? …
Mehr Klöster bauen und einen, wie sagt man, einen Fond zu haben der ständig und für immer für den Erhalt der Klöster und alles aufkommt.
Und für sie Essen und Trinken und Kleidung zur Verfügung stellen, um für die Mönche dauerhaft zu sorgen. Und um andere Klöster rund um die Welt zu unterstützen. Und Nonnenklöster, ich meine wenn ich Klöster sage beides, Mönchs- und Nonnenklöster.
Nicole:
Denkst du die Umgebung in der du bist – so sind wir hier zum Beispiel in Indien, Indien kann sehr laut sein, Indien kann sehr hektisch sein – beeinflusst dein Dasein als Mönch? Stell dir vor du wärst auf einer kleinen Insel ganz allein wie Robinson Crusoe. Würde es deinen Weg als Mönch zu leben beeinflussen? Wäre es anders?
Rinchen:
Meinst du, ob ich ruhiger würde?
Nicole:
Ja, ich meine, beeinflusst diese Hektik rundherum und all der Krach, beeinflusst es deine Gedanken und deine Gefühle, oder denkst du, du bist hier ebenso ruhig wie du es auf einer Insel inmitten des Ozeans wärst?
Rinchen:
Nun, ich komme von einer Insel inmitten des Ozeans (Rinchen wuchs in Hawaii auf).
Ich denke der Lärm findet in deinen Gedanken statt.
Es sind nicht so sehr der Strassenlärm und dröhnende Hupen und derartige Dinge, sondern das was schon in deinem Kopf ist. Und den Geist zu beruhigen zu versuchen ist das was schwierig ist. Das ist von der Art was du brauchst um Erkenntnis zu erreichen und Dingen wie diesen wenn du meditierst.
Aber Tushita selbst ist ganz still. Es ist sehr ruhig. Nur Affen machen Lärm. So habe ich hier oben eine Vorstellung davon. Ja, es ist laut in McLeodGanj.
Roland:
Möchtest du noch etwas ergänzen … sozusagen, um es uns mitzugeben?
Rinchen:
Ich denke für jedermann auf dem spirituellen Pfad ist es sehr hilfreich einen Lehrer zu haben, einen fähigen Lehrer zu haben. Jemanden der sehr verantwortungsbewusst ist, der sich um dich kümmert. Ich hatte eine gute Lehrerin, die ehrwürdige Robina Courtin, und sie ist wirklich besonders für mich. Ich habe jetzt einen anderen Lehrer der sehr krank geworden ist, es ist also schwierig. Er ist immer noch mein Lehrer aber er steht nicht in Verbindung mit mir. Vielleicht also hat man mehr als einen Lehrer. Aber es ist sehr wichtig einen Lehrer auf deinem Weg zu haben, der helfen kann dich zu leiten.
Und sie sagen der Lehrer ist das Licht auf dem Pfad zu Erleuchtung.
Und das ist sehr wahr. Also ist die Notwendigkeit eines guten Lehrers, aufrichtigen Lehrers, jemandem zu dem du aufsehen kannst, sehr wichtig.
Roland:
Dein nächster Schritt wird sein, nach Frankreich zu gehen um Buddhismus zu studieren, hast du uns erzählt. Vielleicht findest einen weiteren neuen Lehrer für dich.
Rinchen:
Ja.
Roland:
Wir wünschen dir alles Gute für deinen nächsten Schritt.
Rinchen:
Danke.