Texte Panama | Panamericana, Panama, Dezember 2024
„Das habe ich doch gar nicht gemeint!“
Folgende Orientierung vorweg, für jene, denen Himmelsrichtungen nicht egal sind. Für uns beide jedenfalls war es vor kurzem, als wir dachten über dasselbe zu reden, ein Aha-Erlebnis. Diejenigen, denen die Klarstellung nach unserem Hirnnebel aber nicht so wichtig ist, können die Einzelheiten ab hier überspringen.
Also: Der Panamakanal verbindet den westlich gelegenen Pazifik mit dem östlich gelegenen Atlantik. So zumindest scheint es auf dem Globus oder einer Landkarte und hat sich uns so auch eingeprägt.
Bei genauerem Hinschauen allerdings ist es anders. Nach dem oben genannten Eindruck sollte der Kanal nämlich vom Pazifik in östlicher Richtung zum Atlantik führen. Tut er aber nicht. Er führt für uns, völlig unerwartet, fast entgegengesetzt in nordwestlicher statt östlicher Richtung zum Atlantik. Auf dem kürzesten Weg von Küste zu Küste. Und das auch weil Panama, für uns ebenso unerwartet, nicht vertikal in Nordsüdrichtung sondern sozusagen waagrecht in Westostrichtung auf dem Globus liegt.
Soweit die, naturgemäss etwas verwirrende, Richtigstellung der Wirklichkeit und zurück zum Anfang: Wir hatten es ja beide nicht so gemeint! Aber jetzt, wo wir das mit dem Kanal und den Himmelsrichtungen erkannt haben, hat sich die Zahl möglicher Missverständnisse zwischen uns um ein weiteres verringert und wir können mit unserer Fahrt von Westen nach Osten über die Landenge zwischen Nord- und Südamerika beginnen.
Die Hauptverbindungsstrasse, die über knapp 800 Kilometer fast durch ganz Panama führt, hat die Nummer 1. Sie ist Teil der legendären Panamericana, die von Alaska bis Feuerland führt und bei Panama-Stadt mit der “Brücke der Amerikas” Nordamerika und Südamerika symbolisch verbindet.
Eine Unterbrechung der kontinentübergreifenden Fernstrasse im Grenzgebiet zwischen Panama und Kolumbien zwingt einen nach der Brücke allerdings trotz Symbolik zu mühevoller Umschiffung. Leider eine echte Sackgasse!
Aber zuerst wollen wir die Sackgasse, die unsere Butze vom Land- auf den Wasserweg nötigt, erkunden. Allzu grosse Erwartungen verbinden wir allerdings nicht mit der Fahrt. Vielleicht erfahren, wie es im Gebiet längs der Panamericana zugeht. Mal sehen wie es überhaupt an der Engstelle zwischen den beiden Kontinenten ist. Idealerweise neue Fragen aufwerfen. Fahren, um ans Ende zu kommen. Ja, auf jeden Fall! Dazu müssen wir von Panama-Stadt aus knapp dreihundert Kilometer südöstlich ins dicht bewaldete, regenreiche Hügelland der Grenzprovinz Darien fahren.
Die vierspurige Strasse wird bald zum zweispurigen Asphaltband als wir die Aussenbezirke der Hauptstadt verlassen. Rechts und links trennen uns Stacheldrahtzäune und Leitplanken von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Ansonsten begegnet uns die schlichte Infrastruktur abgelegener Regionen: Schnellrestaurants mit offenen Küchen für die eilig Durchreisenden, kreative Werkstätten für den Notfall, schimmlige Ziegelruinen ohne erkennbaren Nutzen.
Nach einem Drittel der Strecke biegen wir rechts ab, in der Hoffnung auf einen brauchbaren Stellplatz. Bis zum Ende der Panamericana schaffen wir es vor dem Dunkelwerden heute sowieso nicht mehr, und wir bieten dem Unerwarteten damit eine besondere Gelegenheit.