Texte Panama | Panamakanal, Dezember 2024
Während wir auf den Stufen des alten Leuchtturms sitzen und mit unseren Augen und unserer Kamera die vorbeiziehenden Frachter verfolgen, versuchen wir, uns das Besondere des Panamakanals zu erklären.
Worüber staunen wir?
Vermutlich über das was wir sehen so sehr wie über das was wir wissen. Über die enorme Abkürzung des langen Weges um Südamerika herum, über die Grösse der Frachtschiffe und über die Kunst, sie durch die künstliche Fahrrinne vor uns zu manövrieren, die immensen Gebühren, die dafür zu bezahlen sind und über die kaum fassbaren Grössenordnungen des ganzen damaligen Bauvorhabens, vom Gedanken bis zur Verwirklichung. Aus der offenen Eisentür des Leuchtturms hinter uns strömt modrige Luft. Wir sind neugierige, vom tropischen Klima erschöpfte Beobachter an einem Kanal.
Ein einzigartiges Bauwerk sagen die Ingenieure, ein Meisterwerk. Stolze Reportagen feiern den Kanal gern in seiner globalen Bedeutung und seine Entstehung als unbeirrbares Wahrwerden einer sehr grossen Idee. Und vielleicht ist es ja gerade dieser unbedingte Wille, der Risiken und Unwägbarkeiten ab einem gewissen Punkt beiseite schiebt und damit den Betrachter bis heute auf archaische Weise inspiriert. Selbst die Kanalbehörde ist fasziniert. Sie wirbt mit einem „Wunder das die Welt verbindet.“ Gleichzeitig stören Klimawandel, Dürre und Frachterstau die Begeisterung. Eine Wasserstrasse braucht Wasser. Wenn aber die Durchfahrten wegen Trockenheit eingeschränkt werden müssen droht massiver Streit. Wer wird bevorzugt? Und hat man das mit der Wasserverteilung dann noch im Griff? Schliesslich wird das Trinkwasser für Panama-Stadt aus denselben Quellen gespeist wie das Befüllen der riesigen Schleusen. Der Panamakanal hat mehr als ein Problem und die Bedingungen scheinen nicht günstig. In langsamer Fahrt wummern, am Heck immer von Lotsenbooten gegen Abdrift gesichert, Frachtschiffe vorbei.
Wir versuchen, die Menge der geladenen Container zu schätzen, die mit jedem Schiff an uns vorbei befördert werden. Was ist da drin?
Die Statistik sagt, dass mindestens ein Zwanzigstel von allem was wir so kaufen durch diesen Kanal gefahren sein muss. Der verborgene Inhalt der stählernen Quader regt noch einmal unsere Fantasie an bevor wir das Hinterherschauen, das nachdenkliche Fragen und das Fotografieren aufgeben und den Rückweg zu unserer Butze antreten.