Texte Zurück nach Unterwegs | Kellerwerkstatt, Frühjahr 2017
Drei Jahre, von 2010 bis 2013, waren wir in Asien unterwegs. Sehr kurz vor dem Aufbruch hatten wir damals unser Reisefahrzeug, einen leeren Mercedes Sprinter Kastenwagen, gekauft. Zu kurz, um vorher einen mehr als nur ganz raschen und einfachen Ausbau vornehmen zu können. Bald nach unserer Rückkehr aus Asien entschlossen wir uns daher, unser Fahrzeug neu und besser auszubauen. Diesmal ohne Eile, mit der Erfahrung der Jahre, die wir schon im Auto verbracht hatten, und der Zeit für Dinge, die über das rein Notwendige hinausgehen.
Ineffizient? Ja, mag sein. Die Abkürzung liegt mir nicht. Selbst der direkte Weg erscheint mir ab und zu fragwürdig. Und manchmal benutze ich lieber den Umweg. So zieht der Umbau sich hin. Ich hatte von vornherein nicht angenommen es würde schneller gehen.
Wir verwenden Holzplatten, dünner als üblich, leicht, um das Gewicht unseres Fahrzeugs niedrig zu halten, sorgen für Verstärkungen und Aufdoppelungen wenn Wandstärken nicht ausreichen. Das rosagraue Furnier, in lebendiger Unvollkommenheit, mit einigen harztränenden, rissigen oder faserigen Stellen, zeigt nach dem Einlassen mit Hartwachs-Öl eine ausnehmend schöne, wellig glänzende, rasch dunkler und brauner werdende Maserung.
In den Monaten des Umbaus haben wir neu zu entscheiden, mit welcher Ausstattung wir künftig unterwegs sein wollen. Wir suchen robuste, einfache Lösungen, möglichst einfach, so einfach, dass die Technik, mit der wir uns umgeben, nicht zum Ballast wird. Denn wie leicht neigt man zu komplizierten Plänen, hält angestrengt fest an ausgeklügelten aber unbrauchbaren Ideen. Oft, sehr oft, werden die Skizzen vor der Werkbank überarbeitet, noch einmal überarbeitet, wieder überarbeitet. Wir erklären vermeintlich Bereicherndes zu vermutlich Verzichtbarem, fragen uns, ob Entwürfe, im ersten Moment faszinierend, nicht doch allzu umständlich geraten sind, und manchmal lassen wir unausgereifte Vorhaben vorübergehend dahintreiben, bis wir erkennen und einsehen: Es geht einfacher!
Besondere Aufmerksamkeit widmen wir – nein, widme ich – was auf den ersten Blick wie ein seltsamer Widerspruch zur Einfachheit erscheinen mag: Der obsessiven Gestaltung und Ausführung von geschwungenen Kanten, gewölbten Oberflächen, willkürlich, jede nach einer anderen Laune geformten Öffnungen.
Ich sage, während ich mit den Fingerspitzen der zuletzt bearbeiteten Form nachspüre: „Ja, das ist es“, und als ginge es um uns selbst: „Lebendiger und freier, das ist, worauf es ankommt.“ „Schon“, meine Gefährtin zögert, „aber willst du dir wirklich so viel Arbeit damit machen?“ Natürlich, sie will damit sagen: ,Schon … Aber … Wegen mir wären alle diese Formen nicht notwendig … Mir würde es reichen, wenn es gerade wäre … Dann wären wir schneller fertig … Oder sollen wir unser ganzes restliches Leben in der Werkstatt verbringen?‘ Ich schweige, höre zu und reagiere nicht. Bei solcher Arbeit bin ich guter Stimmung. Es ist, als hinge der Reiz der Sache vom unnötigen Aufwand ab. „Richtig“, sage ich später, als sei eine grossartige, bislang leider unterschätzte Erkenntnis zu enthüllen: „Einfach wird es und aufwendiger.“
Wir verwirklichen eine schon seit längerem beharrlich wiederkehrende Idee, nämlich unser Gefährt – einen fichtennadelgrünen, zwar nicht ernsthaft geländetauglichen, aber doch mit zuschaltbarem Vierradantrieb ausgerüsteten Kastenwagen – aus einer bisher eher genügsamen Reisezelle in ein behagliches, fahrbares Wohngehäuse zu verwandeln. Allein der absehbare, enorme Aufwand hatte uns zögern lassen. Wollen wir diesen Umbau wirklich? Die Werkstattroutine vor Augen, in der die Wochen und Monate drohten lang und erschöpfend zu werden, fragten wir uns, ob es einen derartigen Aufwand wert sei, fürchteten Zeit zu vergeuden, durch das Vorhaben möglicherweise zu lange gebunden zu sein und und zu bereuen, in der Werkstatt zu Kellerasseln zu werden, statt aufzubrechen, ans Licht zu gehen, längst wieder unterwegs zu sein.
Dennoch, die Idee des Umbaus begeisterte uns, wurde lebendig gehalten und immer von neuem und wieder vertieft. Schliesslich entschieden feste Reisepläne, wollten wir doch noch einmal einige Jahre unseres Lebens in diesem Gefährt verbringen. Jahre in einem Fahrzeug mit einer für den Ausbau verfügbaren Fläche von knappen sieben Quadratmetern, auf denen es galt, einen vertrauten Ort für Unterwegs zu schaffen, an den man sich zurückziehen, Abstand gewinnen, durchatmen kann. Und vielleicht weil nicht mehr so viele sonnige Tage zu erwarten waren, war es im Spätherbst vor fast zwei Jahren, als wir uns in einem Moment voller Aufbruchstimmung entschlossen hatten, mit der Arbeit zu beginnen.