Texte Peru | Panamericana, März 2025
Wir staunen, der Kontrast könnte grösser nicht sein. Aus der üppigen Vegetation der ecuadorianischen Anden kommend überqueren wir die Grenze nach Peru und finden uns plötzlich in einer Wüste wieder. Entsprechend ist auch der Temperaturanstieg von bisher etwa zwanzig auf gute fünfunddreissig Grad.
Die Route führt südwärts. Am Mittag brennt die Sonne frontal durch unsere Windschutzscheibe. Wir legen uns feuchte Tücher auf die Unterarme. Gleissend flimmern die salzige Landschaft und die Fahrzeuge auf dem Asphalt. Eine anstrengende Umstellung für die Augen, die Sinne und den Körper insgesamt. LKW-Fahrer haben ihre Scheiben oft bis auf einen schmalen Schlitz mit Folie zugeklebt.
Es ist Mitte März. Im Moment sind wir leider nicht die Reisenden, die sich nach Lust und Laune dahintreiben lassen. Wir haben eine, für unsere Verhältnisse, weite Strecke vor uns. Wir wollen es mit unserer “schwächelnden” Butze bis zum Ende des Monats in den Süden Peru’s schaffen. Dort hoffen wir auf eine Abstellmöglichkeit für sechs Monate und qualifizierte Unterstützung bei der Wiederherstellung der Zuverlässigkeit unseres Reisegefährts. Vor allem die Bremsen machen uns ziemliche Sorgen. Über 1.500 Kilometer werden wir durch die pazifische Küstenwüste Peru’s zurücklegen müssen. Die Panamericana zieht sich als endloses Asphaltband durch die ausgetrocknete Landschaft. Schnurgerade, solange es das Gelände erlaubt.
Am dritten Fahrtag lässt die nachlassende Bremswirkung keinen Zweifel mehr. Die Idee, die Wüstenstrecke rasch hinter uns zu bringen, müssen wir wohl aufgeben. Im kleinen Wüsten- und Hafenort Chancay dürfen wir im Innenhof eines Hostel’s stehen.
Die Suche nach Hilfe für die Butze, die wir derweil auf morgen verschieben wollen, erledigt sich, als der umtriebige Eigentümer des Hostel’s einen befreundeten Mechaniker um Unterstützung bittet. Defekter Hauptbremszylinder ist die fachmännische Vermutung. “Kann man reparieren” ist seine optimistisch stimmende Feststellung. Morgen. Gleich hier im Innenhof. Mit gemischten Gefühlen verfolgen wir seine Arbeit. Unser Optimismus konkurriert zur Zeit mit Skepsis und den schnellen Erfolg zu erwarten, passt nicht zur Stimmung der letzten Wochen.
Aber, am Nachmittag zeigt das Pedal auch nach argwöhnischem Treten wieder volle Wirkung. Daumen hoch, kleiner Geldbetrag, gemeinsamer Cappuccino, Hände schütteln. Der Mechaniker strahlt.
Wir bleiben einen weiteren Tag im Hostel. Entspannung.
Schliesslich setzen wir unseren Weg durch die Wüste fort. Weiter am Pazifik entlang.
Ein leises Nachlassen der Bremswirkung gegen Nachmittag ist allerdings nicht zu leugnen. Hat die Reparatur des Bremszylinders doch nicht geholfen?
Zu Beginn des fünften Fahrtags suchen wir den Schatten einer hohen Mauer. Wir entlüften die Bremsen bevor wir auf Strecke gehen. Die ursprüngliche Festigkeit stellt sich ein. Wir machen uns auf den Weg. Bei der Stadt Pisco führt er uns landeinwärts, beginnt sich Richtung Anden zu wenden. Vorbei an den, Archäologen und UFO-Experten so faszinierenden wie umstrittenen, altertümlichen Scharrbildern in der Wüste um die Städte Palpa und Nasca.
Bei Nasca verlassen wir die Panamericana. Unsere Strecke zweigt jetzt endgültig ab ins Andenhochland. Zunehmend steiler aufwärts, erst noch wüstenhaft, dann Stunde um Stunde in grüne Berge und Täler übergehend.
Bis zum Abend steigt unsere Route auf viereinhalb Tausend Meter Höhe an. Die Luft wird spürbar dünner. Kopfweh und Atembeschwerden zeigen: Wir sind noch nicht ausreichend akklimatisiert. Glücklicherweise führt die vor uns liegende Route jetzt erstmal wieder abwärts. Wir haben eine weitere Möglichkeit, uns zu akklimatisieren. Unser Ziel für diese Saison, ein Stelplatz oberhalb Cusco’s, liegt auf immerhin 3600 Metern.
Unser siebter Fahrtag beginnt mit der erneuten Entlüftung der Bremsen. Wieso bloss werden die jedesmal wieder weich? Über vierhundert Kilometer müssen wir, bzw. die Butze, noch durchhalten. Ohne Bremsen geht das auf keinen Fall. Und technische Hilfe ist bis dahin nicht zu erwarten. Bleibt nur die Hoffnung auf die Wirkung von regelmässigem Entlüften. Das ist momentan unsere einzige Antwort. Mit verbissenem Durchhaltewillen unterdrücken wir das Gefühl von Aussichtslosigkeit.
Mittags lässt die Bremswirkung unerwartet schnell wieder nach. So schnell? Wir entlüften ein weiteres Mal. Und diesmal dringt nach einem üblichen Schub Bremsflüssigkeit völlig unerwartet eine mächtige Luftblase aus einer der Leitungen. Ein gutes Zeichen? Weniger Frustrierte würden jetzt beginnen, wieder zu hoffen.
Wir zählen die verbleibenden Kilometer. Noch hunderteinundzwanzig bis ans Ziel. Die Bremsen. Wenn wir’s doch nur bis Cusco schaffen würden. Bis Cusco.
Wir bleiben drei Tage zum Akklimatisieren in Curahuasi bevor wir unseren achten und entscheidenden Fahrtag angehen. Und … Die Bremsen arbeiten einwandfrei. Als wäre es nie anders gewesen. Welch unerwartete, enorme Erleichterung. Wir empfinden das Erreichen von Cusco als Erlösung. Erstmal geschafft!
Im Internet haben wir von einem möglichen Stellplatz gelesen, den wir ansteuern. Señora Mili ist für den Platz zuständig und kennt sich mit den Abstellbedingungen aus. Fristen, Dokumente, Kopien, Polizei, Zoll. Ihre Einschätzung: Die Butze kann bleiben. Mili beginnt mit der Organisation.
Hier im Andenhochland zeichnet sich gerade das Ende des Südsommers und damit auch der Regenzeit ab. Aber noch können gelegentliche, heftige Schauer die engen Strassen in Bäche verwandeln.