Texte Kanada | Nova Sotia, September 2017
Salat und Brot bereiten wir vor. “Selbst gebackenes Brot ist gut …”, sagt er, “… Ich kann es aber nicht essen … Leider … Glutenempfindlichkeit.” Er bringt sauer Eingelegtes mit und gutes natürliches Mineralwasser. Gut, weil es sich vor Tausenden von Jahren in der Tiefe gesammelt habe, betont er, zu Zeiten als die schädlichen Wirkungen der Atomkraft sich noch nicht auf die Qualität des Wassers niedergeschlagen haben.
Wir nehmen die Frage vom Nachmittag wieder auf: “Wir dachten Hillbillies gibt’s nur da unten in den Südstaaten … Alabama … Virginia …?”
“Nee, die gibt’s hier auch”, erwidert er und grinst. Aber das Gespräch kommt nicht richtig in Gang. Gedanken über die Verbreitung von Begriffen sind wohl nicht sein Anliegen. Die Geschichte seiner Vorfahren, die verletzten Wurzeln seiner Herkunft sind es um so mehr. Wir fragen nach. Seine Mutter war Französin, akadisch! wie er jetzt erzählt. “So bin ich in französisch-akadischem Umfeld aufgewachsen.”
“Und was bedeutet das?”, wollen wir wissen.
“Sitten und Traditionen”, sagt er und erklärt, akadisches Leben sei geprägt von Treue zur Herkunft, Freisinn, Stolz und Zähigkeit, von Selbstbehauptungswillen, Widerstand, und einem am Ende doch verlorenen Kampf.
Man hat Akadien umbenannt in Nova Scotia und die unbeugsamen französischen Akadier schliesslich in den heutigen Süden der USA, nach Louisiana, vertrieben.
“Ich meine, Frankreich hat mitgemacht”, entrüstet sich Tom.
“Mitgemacht?”
“Sie haben uns fallen lassen. Sie haben’s 1713 ausgehandelt und die französischen Akadier an England verkauft … Ja … Sie haben unsere Herkunft nicht beachtet … Sie haben unsere Kultur ignoriert … Haben alles ignoriert … Es ist schlimm, Menschen sowas anzutun … Glaubt mir.” Tom nickt. Schweigen.
“Akadien”, wiederhole ich nach einer Weile und nicke auch.
“Sicher, ich lebe in Akadien … Ein Vertrag … 1752 … Ganz Nova Scotia … … Ich hab sie daran erinnert als ich vor Gericht war”.
“Gericht?”, frage ich.
“Na ja, sie wissen’s doch ganz genau. Ich werd’ niemals aufhören dafür zu kämpfen, nie! … Und deshalb haben sie einen Polizisten geschickt und ausrichten lassen: ‘Sie warden die Anklage fallen lassen. Bist du dann endlich zufrieden?’ Und ich: ‘Nein, ich WILL meinen Tag vor Gericht!’
Tom gehört zu den Menschen, die schon vieles gemacht haben, die sich immer wieder etwas einfallen lassen, sich durchs Leben schlagen, und man erfährt nicht genau wie. Einer, dem es bestimmt ist, zurecht zu kommen, auch wenn nicht alles so bleibt wie e simmer war. Veränderungen. Regeln denen man sich neuerdings unterordnen soll.
“Aber heutzutage woll’n sie dir sogar verbieten, dass du dir Seetang vom Strand holst. Aber es ist mein angestammtes Recht. Wir haben’s seit vierhundert Jahren geholt. Obwohl ich sie herausgefordert hab’ wollten sie mich nicht verklagen. Weil sie genau wissen wieviel Spass ich vor Gericht hab’. Da unten an der Franzosenküste waren immer ein paar Junge, wenn die gehört haben ich bin vor Gericht, sind sie gekommen, ham’ sich in die hintere Reihe gesetzt und sich köstlich amüsiert.”
Am nächsten Morgen, wir haben ganz gut geschlafen sind jedoch früh wach und beschliessen bald aufzubrechen, überrascht Tom uns mit Rührei und gebackenem Gmüse. “Vegetarisch … Hab’s für euer Frühstück gemacht … Hoffe es schmeckt euch.”
Wir sind beeindruckt und Tom freut es, uns auf diese Weise zu überraschen: “Es ist eine Frage der Gastfreundschaft … Will, das ihr sie in guter Erinnerung behaltet … Aber Apfelkompott dauert noch etwas.”
“Apfelkompott?”
“Lasst euch Zeit”, ruft er und eilt über den Hof zurück ins Haus.
“Ist wirklich nicht nötig … Wirklich … Wir wollen uns dann ja auch auf den Weg machen …”.
Er hört uns schon nicht mehr. Also warum nicht Zeit lassen.