Mäandrieren

Texte Honduras | Ende Januar 2024

Unser Unterwegssein mäandriert normalerweise. Die Intensität des Mäandrierens wurde durch begrenzte Aufenthaltsdauern aber leider gedämpft. Für Reisende im sogenannten CA-4-Gebiet – El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua – gilt die Reglung, dass ein Aufenthalt von höchstens 90 Tagen für alle vier Länder zusammen zulässig ist.

Keine Zeit - Rasch durchfahren und am Abend vielleicht schon wieder ausreisen.

Wenn aber nicht die Aussicht besteht, an einem Ort länger bleiben zu können, erscheint uns die Idee, dorthin zu reisen, sinnlos. Sightseeing gehört nicht zu unserer Vorstellung vom Unterwegssein. So gesehen war die verfügbare Zeit knapp. Wir mussten uns entscheiden und Honduras war dem Zeitlimit zum Opfer gefallen.
Doch besteht das Leben bekanntlich aus Gelegenheiten. Auf kürzestem Weg hätten wir Honduras an nur einem Tag durchquert, wäre da nicht auf halbem Weg, direkt an der Panamericana, Roger’s Platz gewesen. Kein Magnet für durchreisende Overlander. Eher eine Art Veranstaltungsgelände für grosse Gruppen, erfahren wir später.

Im Süden von Honduras - Die Ausläufer der zentralamerikanischen Kordillere.
Das Klima ist subtopisch.

Honduras ist ein schwieriges Land. Grosse Teile sind durch skrupellose Bandengewalt geprägt. Die Grausamkeit der Gangs zersetzt die gesamte Gesellschaft. Ein Wandel wie in El Salvador, sagt Roger, sei nicht in Sicht. Er nimmt sich Zeit für gründliche Antworten, erzählt kundig von den Profiteuren und den Verlierern der Geschichte, von den äusseren Mächten und den inneren Widerständen in einer “Bananenrepublik”. Unsere Diskussionsrunde über tiefgründige Fragestellungen wird zum täglichen Vergnügen. Nachmittags, wenn wir zum Cappuccino einladen und er sich eine Pause gönnt. Einfach nur rumsitzen und die Dinge laufen lassen liegt ihm ansonsten nicht. Roger kümmert sich lieber um sein weitläufiges Gelände, die Cabanas, Koch- und Essbereiche, die Schwimmbecken, sein Maultier.

Ausflug mit Roger.

Seit er sich aus der grossen Politik zurückgezogen hat bildet dieses Areal die Hülle seines Alltags. Wir sind meistens die einzigen Gäste, abgesehen von wenigen gelegentlichen Tagesbesuchern. Unser Dasein kehrt zurück in den Modus Mäandrieren, Gedanken an CA-4-Gebiete und Entscheidungen für bisherige Pläne verflüchtigen sich. Deshalb bleiben wir, lassen uns von Roger Geschichte und Gegenwart erklären und beobachten zwischendurch vom Beckenrand aus den Verkehr auf der Panamericana. Viel ist da nicht los für eine legendäre Fernstrasse.